In den 1990er Jahren fand eine Forschergruppe unter Daniel Kahneman heraus, dass wir unsere Erlebnisse hauptsächlich danach bewerten, wie sie am Höhepunkt und am Ende empfunden werden. Dies wird als "Peak-End-Regel" bezeichnet und ist überraschend, da man eher denken würde, dass der Gesamteindruck eines Erlebnisses im Gedächtnis bleibt.
Es war Anfang der 1990er-Jahre, als eine Forschergruppe um den Psychologen Daniel Kahneman entdeckte, dass wir Erlebtes im Nachhinein vor allem danach beurteilen, wie es sich an dessen Höhepunkt und an dessen Ende angefühlt hat. Das nennt sich seither Peak-end rule und irritiert insofern, als man eigentlich erwarten würde, dass einem eher der Gesamteindruck eines Erlebnisses im Gedächtnis bleibt. Dem ist aber nicht so, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um angenehme oder unangenehme Erfahrungen handelt.
Und wie hilft uns das nun bei der User Experience? Klar, es geht darum, negative Peaks und ungute Enden zu vermeiden. Aber hierfür müssen wir zuerst einmal wissen, wo solche kritischen Punkte genau liegen. Dies wiederum lässt sich nur mit Tests zuverlässig herausfinden. Sinnvollerweise beginnt das Testen schon an frühen Prototypen. So lässt sich die Nutzerfreundlichkeit bereits optimieren, bevor das Entwicklerteam beginnt, in die Tasten zu hauen. Das ist effizienter und kostet weniger, als wenn erst am Schluss, am fertigen Produkt getestet wird. Später dann, im Betrieb, liefern die Seitenstatistiken wertvolle Hinweise auf kritische Bereiche.
Natürlich sollte man nicht nur schlechte Erinnerungen vermeiden, sondern auch positive ermöglichen. Wer nun aber glaubt, dass sich negative Peaks mit positiven kompensieren liessen, liegt falsch. Der Mensch erinnert sich letztlich doch eher an Negatives als an Positives. Das mag etwas griesgrämig klingen, gilt aber wissenschaftlich als gesichert und scheint sich entwicklungsgeschichtlich auch recht gut bewährt zu haben.
Es wird also eher nicht das starke Farbkonzept der Website sein, das den Nutzerinnen und Nutzern in Erinnerung bleibt – auch nicht die erlesene Typografie oder das gefällige Storytelling. Viel mächtiger sind Erfahrungen mit hakeligen Consent-Bannern, medienbruchstrotzenden Onboardings oder konfusen Check-outs. Hier sollten wir vor allem ansetzen, bevor wir beginnen, alles mit netten Gags und Girlanden zu dekorieren.
Veröffentlicht in: Netzwoche Ausgabe 10, 2023
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Inhaber, Expert Consultant
Dr. Christopher H. Müller, Gründer und Inhaber der Ergonomen Usability AG, promovierte am Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich. Er ist seit mehr als 22 Jahren Experte für Usability und User Experience. Sein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen ermöglicht es ihm, rasch die Bedürfnisse und Perspektiven der Kunden zu verstehen. Mit viel Kreativität und Mut unterstützt er seine Kunden in Digitalisierungsvorhaben und bei der Optimierung von Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen. Er verfolgt einen praxisorientierten Ansatz und entwickelt massgeschneiderte Lösungen, die effektiv umgesetzt werden können. Dr. Christopher H. Müller ist Kolumnist in der Netzwoche. Weitere Engagements sind unter anderem Stiftungsrat bei der Stiftung Zugang für alle, Mitglied in zwei Swico-Beiräten und Co-Präsident der Regionalkonferenz Nördlich Lägern.