Müllers kleines ABC (Netzwoche 1, 2016): Quantified Self ist eine Bewegung von Menschen, die glauben, es sei gesund, Körperfunktionen aufzuzeichnen und im Internet zu publizieren. Die Idee dahinter: Wer seine körperlichen Aktivitäten ständig überwacht und zur Schau stellt, der wird seinen inneren Schweinehund leichter überwinden.
Quantified Self ist eine Bewegung von Menschen, die glauben, es sei gesund, Körperfunktionen aufzuzeichnen und im Internet zu publizieren. Die Idee dahinter: Wer seine körperlichen Aktivitäten ständig überwacht und zur Schau stellt, der wird seinen inneren Schweinehund leichter überwinden.
Zum Sammeln der nötigen Daten braucht es entweder eine einschlägige App fürs Smartphone oder einen dieser hippen Fitness-Tracker fürs Handgelenk. Die zählen dann zum Beispiel all die Schritte, die man so macht. Die besseren wissen auch, ob dabei Berge überwunden wurden, wie hoch der Puls dabei ging oder ob man nachts zuvor gut geschlafen hat.
Kürzlich an einem Workshop: Die Teilnehmer präsentieren zu Beginn ein Mitbringsel mit entweder guter oder schlechter Usability. Erna, Mitte 50, hat zu Weihnachten einen Tracker bekommen, zwecks Verbesserung ihrer Fitness. Weit ist sie damit aber nicht gekommen – sie kann das Ding nicht mal anziehen, weil sie den genialen Verschluss nicht begreift. Otto, schon länger Besitzer desselben Modells, hilft ihr spontan aus der Patsche.
Was er denn für Erfahrungen mache, mit dem Tracken, will Erna sogleich wissen. Nun, eine Zeitlang habe er das ja lustig gefunden. Doch dann sei ihm der Druck unerträglich geworden, sich dauernd selbst zu belauern, sich an den Vorgaben der Hersteller und obendrein an der Community zu messen. Deshalb habe er nach einem halben Jahr wieder damit aufgehört.
Über seine Fitness nachzudenken, ist sicher nicht falsch und etwas Biofeedback schadet auch nicht. Zu weit geht das aber, wenn die Leute Herzrasen bekommen, weil sie ständig diskutablen Durchschnittswerten hinterherhecheln oder vor lauter Selbstoptimierung depressiv werden. Klar: Selbsterklärende Hardware würde das Risiko, dass es soweit kommt, zumindest etwas senken.
Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
Inhaber, Expert Consultant
Dr. Christopher H. Müller, Gründer und Inhaber der Ergonomen Usability AG, promovierte am Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich. Er ist seit mehr als 22 Jahren Experte für Usability und User Experience. Sein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen ermöglicht es ihm, rasch die Bedürfnisse und Perspektiven der Kunden zu verstehen. Mit viel Kreativität und Mut unterstützt er seine Kunden in Digitalisierungsvorhaben und bei der Optimierung von Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen. Er verfolgt einen praxisorientierten Ansatz und entwickelt massgeschneiderte Lösungen, die effektiv umgesetzt werden können. Dr. Christopher H. Müller ist Kolumnist in der Netzwoche. Weitere Engagements sind unter anderem Stiftungsrat bei der Stiftung Zugang für alle, Mitglied in zwei Swico-Beiräten und Co-Präsident der Regionalkonferenz Nördlich Lägern.