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Die Kluft zwischen Theorie und Praxis: Tests wirkungsvoller moderieren

Usability-Tests liefern wertvolle Einblicke: Wenn Nutzer frühe Skizzen, klickbare Prototypen oder fertige Systeme testen, erfahren wir, wie es für die Anwender eines Produkts wirklich ist, dieses zu nutzen. In der Theorie scheinen diese und verwandte Methoden einfach anzuwenden. Die Erfahrung zeigt: Testpersonen sind auch nur Menschen und können die Theorie ganz ordentlich auf die Probe stellen. Testen Sie Ihre Schlagfertigkeit mit unserem Usability-Test-Quiz!

10. Februar 2021
Ursina Jenny, BA, Consultant

Consultant

Melanie Stade, Dipl.-Psych., Consultant

Consultant

Über die Durchführung von Usability-Tests gibt es zahlreiche Bücher, Checklisten und Best-Practice-Artikel. Die dort genannten Anleitungen und Ratschläge sind gut, aber oft wenig konkret oder praxisorientiert. Da es sich bei den Testpersonen um Menschen handelt, treten in der Praxis Situationen auf, auf die sich die Testleitung nicht mit Bücherwissen vorbereiten kann. Wie reagiert man auf heikle Situationen richtig?

So entstand die Idee zum Usability-Test-Quiz: Aus der Praxis für die Praxis mit einer Prise Humor. Was würden Sie unserer Testleiterin Maria empfehlen?

Raten Sie mit!

Situation 1 «Auf der Suche nach Bestätigung»

Wir stecken mitten in einem Usability-Test. Maria hat der Testperson Peter gerade eine Aufgabe gegeben. Peter klickt auf dem Bildschirm herum. Plötzlich fragt er: «Habe ich das richtig gemacht?»

Was soll Maria erwidern?

a) «Ja, Sie haben das richtig gemacht. Prima, weiter so!»

b) «Dazu sage ich jetzt nichts.»

c) «Was denken Sie?»

Haben Sie eine Antwort ausgewählt?

Gut. Hier unsere Einschätzung zu den Antworten:

Antwort a) würde Peter zwar freuen, stellt Maria aber vor ein grosses Problem. Im Usability-Test möchte Maria nämlich genau das herausfinden: Stimmt es für Peter? Darum sollte sie weder verbal noch nonverbal bewerten, was er tut oder sagt.

Antwort b) ist schon besser, im Gegenteil zu a) allerdings harsch und unfreundlich. Eine so formulierte Aussage kann Peter stark verunsichern. Und vielleicht hält sich Peter dann im weiteren Verlauf mit seinen Gedanken zurück und schweigt. Das hingegen will Maria auf keinen Fall.

Also bleibt noch Antwort c, die aus unserer Sicht richtige. Zu Beginn hat Maria Peter bereits mitgeteilt, dass es im Test kein Richtig oder Falsch gibt. Maria will Peter zum Nachdenken anregen. Indem Peter seine Gefühle und Einschätzung beschreibt, erfährt sie, ob das Produkt seinen Erwartungen entspricht oder nicht.

Die erste herausfordernde Situation hätten wir geschafft. Widmen wir uns der zweiten:

Situation 2 «Grillenzirpen und Mausklicken»

Am Anfang des Usability-Tests hat Peter seine Gedanken und Meinungen aktiv mitgeteilt. Maria konnte sich somit ein gutes Bild darüber machen, was für Peter verständlich und gut ist, aber auch, wo Verbesserungspotenzial liegt.

Nun klickt sich Peter zwar munter durch den Prototyp, hat aber seit einer Weile nichts mehr gesagt.

Maria weiss nicht, was ihm durch den Kopf geht. Wie soll sie reagieren?

a) Maria behält die Uhr im Blick und fordert Peter nach ungefähr zehn Sekunden auf, laut zu denken. Schliesslich wird er für seine Teilnahme am Test entschädigt.

b) Maria behält Peter im Blick und frag nach, wenn sie anhand seiner Gestik oder Mimik merkt, dass ihn etwas beschäftigt.

c) Maria tut nichts, denn sie will Peter nicht beim Denken unterbrechen. Irgendwann wird er bestimmt wieder etwas sagen.

3… 2… 1…

Antwort gewählt? Lesen Sie hier unsere Einschätzung:

Antwort a) wäre praktisch: Eine klare zeitliche Regel, an der sich Maria orientieren könnte. Doch so eine Regel ist problematisch. Peter braucht vielleicht zwei Minuten, während eine andere Testperson bereits nach einer halben Minute weiterredet. Maria sollte jeder Testperson genug Zeit lassen, den Prototyp anzuschauen.

Antwort c) ist das andere Extrem: Fragt Maria nicht nach, sagt Peter vielleicht gar nichts mehr. So verpasst sie wertvolle Erkenntnisse über Peters Gedanken und Gefühlswelt. Alles Inputs, die ihr beim Verbessern des im Test vorgelegten Konzepts helfen könnten.

Demnach soll Maria wie in Antwort b) reagieren: Als Testleiterin achtet sie auf die Mimik und Gestik von Peter. Ist Peter eine Weile still, kann sie Veränderungen in Gestik und Mimik, zum Beispiel ein Stirnrunzeln, als Anstoss nehmen, um bei Peter nachzufragen. Das funktioniert am besten und stört den Fluss kaum.

Die nächste typische Situation zeigt das Gegenteil der vorherigen:

Situation 3 «Wo war der Tellerrand schon wieder?»

Stellen Sie sich vor, Peter redet... und redet… und redet. Aber nicht über den Prototyp:

«Also, wenn ich Sie jetzt schon mal hier habe… Wissen Sie, ich bin ja schon lange Kunde bei dieser Firma, die von dieser Website. Der Support ist ja eigentlich schon gut. Aber ich habe schon seit zwei Wochen Probleme und habe schon fünf Mal angerufen. Es funktioniert immer noch nicht! Können Sie da nicht was machen?»

Maria ist ratlos. Welche Antwort würden Sie Maria ins Ohr flüstern?

a) «Oh, vielen Dank. Ich nehme das gerne auf und werde es an die zuständige Person weiterleiten. Möchten Sie mir sonst noch etwas mitgeben, was ich weiterleiten soll?»

b) «Danke für Ihr Feedback. Nur leider hat das jetzt gar nichts mit dem Thema vom heutigen Test zu tun. Da kann ich nichts machen. Bitte versuchen Sie es weiter bei der Hotline.»

c) «Vielen Dank für Ihr Feedback. Ich nehme das gerne auf. Bezogen auf Ihre aktuelle Testaufgabe: Wie würden Sie da weitermachen?»

Bereit? Hier folgt die Auflösung:

Die schönste Antwort für Peter wäre Antwort a): Sein Anliegen findet Gehör und er bekommt das Versprechen, dass Maria sich darum kümmert. Zudem fragt Maria nach weiterem Feedback. Dies könnte dazu führen, dass Peter noch weiter ausholt. Usability-Tests sind jedoch zeitlich und thematisch begrenzt. Sofern der Support nicht Teil des Usability-Tests ist, sollte Maria vermeiden, Feedback hierzu aktiv anzustossen. Auch sollte Maria keine Versprechen geben, die sie nicht mit hundertprozentiger Sicherheit einhalten kann.

Antwort b) ist gar trocken: Maria reagiert hier nicht empathisch und klingt desinteressiert. Im schlechtesten Fall fühlt Peter sich nicht verstanden und verliert die Motivation, laut zu denken.

Antwort c) ist unserer Erfahrung nach die passendste Antwort: Maria macht sich eine Notiz zu Peters Aussage. Falls am Ende des Tests Zeit bleibt, hat sie die Möglichkeit, nachzuhaken. Aus unserer Sicht ist jedes Feedback wertvoll, auch solches, das im ersten Moment nichts mit der Testsituation zu tun hat.

Fazit Es ist kein Kinderspiel, immer richtig auf die Testperson zu reagieren. Die Schlagfertigkeit wird immer wieder herausgefordert, und wie man richtig drauf reagiert, lernt man nicht in der Theorie. Mit Übung und Erfahrung fällt es aber von Mal zu Mal leichter.

Sie möchten noch mehr Eindrücke aus Usability-Tests erfahren? Oder haben Sie eine Idee für einen Usability-Test, brauchen aber noch Unterstützung? Gerne teilen wir unser Wissen.

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Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.

Ursina Jenny, BA, Consultant

Consultant

Von Web Analytics und SEO zu User Experience und Prototyping: Bachelor in Kommunikation an der Uni Zürich, Weiterbildung in UX an der FHNW. Organisationstalent, dem nichts entgeht. Immer schnell unterwegs.

Melanie Stade, Dipl.-Psych., Consultant

Consultant

Diplom-Psychologin mit Begeisterung für User Involvement. Verstärkt seit Anfang 2020 unseren Kernbereich Usability und User-Research.

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