Es soll ja Leute geben, die halten Usability für eine Geheimwissenschaft, die vor allem vom Bauchgefühl und dem Erfahrungsschatz einiger Inselbegabter lebt. Doch Obacht! Auch hier gibt es Kausalitäten, die sich haargenau nachrechnen lassen - eine davon beschreibt Fitts’ Gesetz. Es besagt, dass die Zeit, die erforderlich ist, um etwa mit dem Finger ein Ziel zu treffen, von dessen Entfernung und Grösse abhängt. Selbst wenn es schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat – das Gesetz von Fitts gilt nach wie vor und insbesondere auch für digitale Benutzerschnittstellen.
Es soll ja Leute geben, die halten Usability für eine Geheimwissenschaft, die vor allem vom Bauchgefühl und dem Erfahrungsschatz einiger Inselbegabter lebt. Doch Obacht! Auch hier gibt es Kausalitäten, die sich haargenau nachrechnen lassen - eine davon beschreibt Fitts’ Gesetz. Sein Namensgeber, Paul Fitts, hat vor rund 70 Jahren entdeckt, dass die Zeit, die erforderlich ist, um etwa mit dem Finger ein Ziel zu treffen, von dessen Entfernung und Grösse abhängt. Für alle, die Formeln mögen: MT = a + b · log2(D / W + 1).
Was dies für die tägliche Arbeit, in unserem Fall an und mit Bildschirmen, heisst, wird aus dem Umkehrschluss klar: Je weiter ein Ziel entfernt und je kleiner es ist, desto schwieriger ist es zu treffen. Klingt so logisch wie banal, wird aber im Alltag nicht besonders gewissenhaft umgesetzt. Wie sonst wäre die Platzierung der Auf- und Abwärts-Buttons in der Bildlaufleiste von Windows zu erklären? Der Eine steht zuoberst im Fenster, der Andere zuunterst. Wer mithilfe der Buttons zwischen Rauf- und Runterscrollen wechseln will, muss also mit dem Cursor meist die ganze Bildschirmhöhe überwinden. Ein Segen, hat jemand das Scrollrad erfunden.
Ähnliches lässt sich zur Platzierung des Rückwärts-Buttons in (Android-)Apps sagen. Der steckt nämlich oft ganz oben links. Zumindest bei Rechtshändern dürfte das häufig für weite Zielbewegungen sorgen. Apropos Handy: Keine Freude dürfte Mister Fitts auch an deren immer monströseren Dimensionen haben. Irgendwelche findigen Köpfe bei Apple sollen mithilfe seiner Formel einst ausgerechnet haben, dass der optimale Touch-Bildschirm diagonal mickrige 4,5 Zoll gross ist...
Selbst wenn es schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat – das Gesetz von Fitts gilt nach wie vor und insbesondere auch für digitale Benutzerschnittstellen. Gilt es also, einen Button zu platzieren, dann sollte man ob all der konzeptuellen, kontextuellen, graphischen und textlichen Überlegungen nicht vergessen zu fragen, wo er denn wohl am besten aufgehoben wäre.
Veröffentlicht in: Netzwoche Ausgabe 8, 2021
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Inhaber, Expert Consultant
Dr. Christopher H. Müller, Gründer und Inhaber der Ergonomen Usability AG, promovierte am Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich. Er ist seit mehr als 22 Jahren Experte für Usability und User Experience. Sein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen ermöglicht es ihm, rasch die Bedürfnisse und Perspektiven der Kunden zu verstehen. Mit viel Kreativität und Mut unterstützt er seine Kunden in Digitalisierungsvorhaben und bei der Optimierung von Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen. Er verfolgt einen praxisorientierten Ansatz und entwickelt massgeschneiderte Lösungen, die effektiv umgesetzt werden können. Dr. Christopher H. Müller ist Kolumnist in der Netzwoche. Weitere Engagements sind unter anderem Stiftungsrat bei der Stiftung Zugang für alle, Mitglied in zwei Swico-Beiräten und Co-Präsident der Regionalkonferenz Nördlich Lägern.