Ein guter Wissensspeicher ist leicht zugänglich und intuitiv. Doch in der Dokumentations-Praxis getrauen sich wenige, sich kurz zu fassen. Viel Text erschwert es der Leserschaft, schnell die passenden Inhalte zu finden. Und auch die Pflege der Dokumentation bleibt aufwändig. Die Lösung: Information-Mapping-Technik gepaart mit Nutzerzentrierung.
Egal ob als Worddokument in SharePoint, als ausgedruckte Handbücher auf dem Tisch der Mitarbeiter, als verlinkte Seiten in Confluence oder als öffentlicher Wissensspeicher auf einer Website: Dokumentationen und Anleitungen haben für Mitarbeiter und Kunden einer Firma eine wichtige Daseinsberechtigung. Im Sinne eines Self-Services dienen sie als Nachschlagewerk, als Onboarding-Material, als How-To oder als Instrument, über Änderungen zu informieren. Letztendlich strahlt eine gute Dokumentation Kompetenz und Professionalität nach aussen aus, entlastet den Support und führt zu einer korrekten Umsetzung eines angestrebten Zielverhaltens.
Typischerweise beinhalten diese Artefakte viele Absätze, strukturiert durch durchnummerierte Überschriften und Kapitel. Meist wirken diese Dokumente – trotz Abbildungen, Tabellen etc. – sehr dicht und komplex. Und auch die Nummern in den Überschriften bzw. Kapiteln helfen nicht wirklich bei der Navigation innerhalb des aufbereiteten Wissens.
Für die Leserschaft wird es bei solcher Art der Dokumentation zeitaufwändig das zu finden, was momentan benötigt wird. Oder anders gesagt: Das Relevante vom Irrelevanten zu filtern. Dabei ist es egal, ob die Person die Dokumentation zum ersten Mal oder regelmässig nutzt.
Problem 1. Autoren solcher Dokumentation tendieren dazu, Inhalte in möglichst abwechslungsreicher und sogar unterhaltsamer Form zu präsentieren. Im technischen oder geschäftlichen Kontext soll die Leserschaft eine Dokumentation jedoch nutzen, um ihre Aufgaben zu erledigen. Vielfalt in der Präsentation von Informationen ist dabei eher zeitraubend und ablenkend.
Problem 2. Autoren neigen dazu, Inhalte in Fliesstext aufzubereiten. Mit ungewollten Konsequenzen: Zum einen kann die Leserschaft dann Informationen nicht so schnell überfliegen und passende Stellen finden. Zum anderen wird es für den Autor des Textes als auch für andere Autoren schwierig, neue Texte im gleichen Stil zu verfassen.
Problem 3. In der Regel werden Autoren ohne professionellen Hintergrund in (technischer) Redaktion im Unternehmen beauftragt, Richtlinien, Arbeitsanweisungen, How-Tos usw. zu schreiben oder zumindest dazu beizutragen. Zu diesen Personen gehören IT-Fachleute, Business Analysten, Vorgesetzte, Mitarbeiter, Support und viele andere Rollen. Das soll nicht heissen, dass diese Personen nicht ihr Bestmögliches geben – nur sind sie eben nicht perfekt in ihrer Autorenrolle ausgebildet.
Das technische Schreiben ist ein spezialisierter Beruf, der eine umfangreiche Ausbildung und viel Erfahrung voraussetzt. Nicht jede Firma kann oder will sich solche Personen leisten. Aber auch Personen ohne diesen Hintergrund können lernen, ihre Dokumentation für den internen oder externen Gebrauch effektiver zu gestalten. Oder anders gesagt: Inhalte klarer und benutzerorientierter zu erstellen.
Dabei hilft die sogenannte Information-Mapping-Technik. Kernstück der Technik ist, vorher sorgfältig zusammengetragene Informationen zuerst zu strukturieren und zu gliedern – und erst dann mit der Feinausarbeitung und Darstellung der Informationen fortzufahren. Informationen werden dabei in kleine, leicht zu überfliegende und «verdaubare» Einheiten runtergebrochen. Fliesstext kommt nur bedingt zum Einsatz. So entsteht eine Konsistenz und gleichbleibend hohe Qualität über viele Dokumente und Anleitungen hinweg, egal von wem geschrieben.
Statt also direkt für die Leserschaft loszuschreiben, heisst es erstmal gründlich zu überlegen und für sich selbst zu notieren: Was ist das Thema? Warum schreibe ich über das Thema? Was will ich mit meinem Dokument bei der Leserschaft erreichen? Wer ist überhaupt meine Zielgruppe?
Ein paar Beispiele
Grobes Thema: Es geht um…das Einrichten eines Accounts; das Onboarding in der Firma; eine Verfahrensanweisung für den neuen Sales-Prozess.
Grund fürs Schreiben: Ich will…instruieren; informieren; motivieren; auf etwas aufmerksam machen.
Zielverhalten der Leserschaft: Nach dem Lesen meines Dokuments…sollen alle in der Firma ihren Account selber erstellen können, ohne den Support anzurufen; alle im Team haben neuen Sales-Prozess zur Kenntnis genommen und akzeptiert; die Kunden können einen Vorgang selber auslösen.
Wer ist meine Zielgruppe: Mein Dokument ist für…neue Mitarbeiter; Bestandskunden; eine andere Abteilung; mein Team.
Nach diesem ersten Brainstorming wird die Zielgruppe nun näher beleuchtet. Nur wenn verstanden wird, wer die Zielgruppe ist, können passende Inhalte für das Dokument zusammengetragen und in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht werden. Die nachfolgenden Fragen sind hierbei relevant:
Welche Rolle hat meine Zielgruppe?
Was weiss meine Zielgruppe bereits?
Was muss meine Zielgruppe noch wissen?
Welche weiteren Informationsquellen hat meine Zielgruppe bis hierhin grundsätzlich durchlaufen?
Für Phase 1 sind unsere Methoden wie User Research, Personas und Nutzerzentrierung bestens geeignet.
Bevor es in Phase 2 geht, wird grob notiert, welche Inhalte dokumentiert werden müssen, damit die Leserschaft nach dem Lesen das gewünschte Zielverhalten zeigt. Diese Sammlung an Inhalten kann eine formlose, unsortierte Liste mit ein paar Stichworten sein. Denn viel wichtiger als die Form ist das kritische Reflektieren: Braucht es diese konkrete Information in diesem Detailgrad für meine Zielgruppe, damit ich mein Ziel bei der Leserschaft erreiche?
Nun geht es darum, die Inhalte konkreter auszuarbeiten. Die Darstellung der Inhalte steht weiterhin nicht im Fokus – klingt seltsam, hat aber einen Grund.
Wenn zu früh auf die Darstellung fokussiert wird, kann Folgendes passieren:
Die Darstellungsform ist unpassend
Informationsteile werden verstreut oder doppelt an verschiedenen Stellen aufgeführt
Informationen werden in der falschen Reihenfolge präsentiert
All das würde es der Zielgruppe erschweren, die Inhalte zu konsumieren – und würde somit auch das Ziel der Dokumentation gefährden. Stattdessen wird die Stichwortliste nun feiner ausgearbeitet. Für jedes Stichwort wird festgehalten, was konkret vermittelt werden soll: Am besten mit ein paar Post-its oder einer Bulletpoint-Liste. Jeder Stapel an Post-its bzw. jede Bulletpoint-Liste erhält dann eine Überschrift. Dies kann, muss aber nicht das ursprüngliche Stichwort sein. Dann folgt die Gruppierung: Mehrere Überschriften, die thematisch zusammengehören, erhalten wiederum eine Überschrift. Auch die Reihenfolge der (Teil-)Überschriften kann angepasst werden.
Alle Inhalte für die Dokumentation, die bei einer bestimmten Zielgruppe ein bestimmtes Verhalten auslösen soll, sind nun zusammengetragen und organisiert. Nun – endlich – kann die effektivste Darstellungsform für die Inhalte gewählt werden. Effektiv ist sie dann, wenn die Leserschaft später die Inhalte leicht überfliegen und entscheiden kann: Beinhaltet das Worddokument, die Confluence-Seite, das How-To auf der Website usw. die Information, die ich gesucht habe? Für die Wahl der effektivsten Darstellungsform gibt es ein paar Best Practices.
Zum einen hat sich Folgendes bewährt:
Schritt-für-Schritt Anleitungen in Tabellenform mit durchnummerierten Zeilen
Voraussetzungen als Liste
Prinzipien und Regeln als Grafik
Einleitung und Fakten in Prosatext
Prozessablauf mit Wenn-Dann-Tabelle
Zum anderen hilft es zu reflektieren, was für ein Informationstyp dokumentiert werden soll. Beispiele:
Informationstyp «Prinzip»: Welche Regeln gibt es?
z.B. wann darf ein Kopierer nicht benutzt werden.
Informationstyp «Prozess»: Wie funktioniert etwas?
z.B. wie wird Papier und Farbe für den Kopierer bestellt.
Informationstyp «Prozedur»: Wie nutze ich etwas?
z.B. wie kann ich den Kopierer als Scanner benutzen?
Informationstyp «Konzept»: Was ist das Konzept?
z.B. ein Kopierer, der im Gebäude durch Mitarbeiter und Gäste benutzt werden kann
Informationstyp «Struktur»: Wie ist etwas aufgebaut?
z.B. gehört zur Kopierstation ein Kopierer, ein Papierkübel, ein Schrank mit Ersatzpapier, ein Terminal zum Bezahlen für Gäste und ein ID-Feld für Mitarbeiter.
Informationstyp «Fakten/Daten»: Welche Fakten liegen vor?
z.B. wie viele Kopierstationen gibt es auf jeder Etage des Gebäudes, welche Personengruppen können den Kopierer nutzen
Wie genau soll das helfen? Denken in Informationstypen hilft, Informationen logisch zu gruppieren und zu sortieren. Zum Beispiel gehören Voraussetzungen zur Nutzung einer Kopierstation (= «Fakten/Daten») nicht in eine Schritt-für-Schritt Anleitung für das doppelseitige Kopieren (= «Prozedur»). Auch hilft es kritisch zu hinterfragen: Möchte ich einen Überblick über ein Thema geben oder etwas im Detail beschreiben.
Der erste Entwurf ist selten ein Meisterstück. Daher sollte frühzeitig mit der Zielgruppe in Iterationen getestet werden. Durch das Berücksichtigen der Benutzersicht kann kontinuierlich optimiert werden und das fertige Dokument final abgenommen werden. Ein Nutzertests mit Dokumenten? Ja, unbedingt! Mit realitätsnahen, motivierenden Szenarien verwenden die Nutzer das aufbereitete, analoge oder digitale Material und geben dabei Feedback: Was ist unklar? Was ist schwierig zu finden? Was fällt leicht zu verstehen? Was ist zu viel, was ist zu wenig? Der Test kann sowohl remote oder vor Ort durchgeführt werden.
Noch nicht überzeugt?
Mit dem Mindset der Information-Mapping-Technik, gepaart mit Nutzerzentrierung, erzielen Sie
Einen Wissensspeicher, der auf den Punkt kommt
Einen einheitlichen Kommunikationsstil nach Innen und Aussen
Eine effiziente Pflege von Informationen, die immer up-to-date sind
Niedrige Hürden für Ihre (neuen) Autoren
Wir haben uns bei unserem Blogtext bewusst für einen erzählenden Schreibstil entschieden und nicht alle Darstellungsformen aus der Information-Mapping-Technik ausgeschöpft. Super, dass es Ihnen aufgefallen ist!
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Consultant
Melanie vereint analytisches Denken mit umfassender Erfahrung in User-Research. Mit ihrer ausgeprägten Expertise und grosser Leidenschaft für nutzerzentrierte Ansätze gestaltet sie erfolgreiche Services und Dienstleistungen, die echten Mehrwert bieten und gerne genutzt werden. Sie verfügt über fundierte Erfahrung in User-Research, Usability-Tests, UX Expert Reviews, umfangreiche Kenntnisse in der Anforderungserhebung und Konzeptentwicklung und breite Schulungs- und Coaching-Kompetenz.