Was erfordert es, um im hart umkämpften Wettbewerb bestehen zu können? Ein attraktives Angebot, sicher. Auch der Umgang mit dem Kunden als ein zentraler Baustein unternehmerischen Erfolges. Anhand eines Projektes mit einer Schweizer Verzeichnisplattform zeigen wir auf, wie Verhaltensökonomie als Leitlinie bei der Beantwortung von Kundenanfragen dient und so die «Customer Experience» systematisch steigert.
Die Digitalisierung hat das Konsumverhalten der Menschen drastisch verändert. So kaufen mehr als 70% der Schweizerinnen und Schweizer heutzutage online ein. Ein Trend der sich durch die vergangenen Jahre der Pandemie weiter verschärfte. Möchte man als Unternehmen also gesehen, gefunden und gebucht werden gilt es, digitale Präsenz zu markieren. Entsprechend gefragt sind digitale Marktplätze und Verzeichnisplattformen, die KMUs unterstützen, ihre Angebote und Leistungen im Web zu platzieren. Doch nachhaltiger unternehmerischer Erfolg entsteht nicht bloss durch das Angebot eines guten Produktes, sondern auch der Kundenservice ist massgeblicher Bestandteil eines florierenden Geschäftsmodelles. Dies erkannte auch eine Schweizer Verzeichnisplattform und beauftragte uns den Prozess zur Beantwortung von Kundenanliegen unter die Lupe zu nehmen.
Im Falle unseres Auftraggebers werden die Kundenanliegen von Mitarbeitenden des Customer Care Centers bearbeitet. Diesen steht dazu ein Set an Textbausteinen zur Verfügung, die sie je nach Anliegen zusammenstellen und zur Beantwortung der Kundenanfragen verwenden können. Mit der Zeit stellte man fest, dass die Textbausteine nicht mehr den eigenen Ansprüchen genügen. Einerseits gab es sehr viele Textbausteine, was es für Mitarbeitende schwer machte, die passenden Textbausteine zu finden und auszuwählen. Andererseits boten die Textbausteine auch inhaltlich weiteres Optimierungspotenzial. So waren sie teilweise wenig verständlich, inkonsistent im Wording und ihr Handlungsaufforderungscharakter war stellenweise wenig klar. Beide Umstände widerstrebten dem Gedanken eines effizienten, zeit- und kundennahen Kundenservice. Unser Auftraggeber entschloss sich daher, die Textbausteine zum Wohle der Kunden aber auch zum Wohle der Mitarbeitenden zu optimieren.
Verhaltensökonomie als Leitlinie für wirkungsvolle Texte
Gemäss dem berühmten Sender-Empfänger-Modell von Claude E. Shannon und Warren Weaver erfolgt Kommunikation wie folgt: Ein Sender sendet eine Botschaft in der er seine Ansichten, Gefühle oder Wünsche äussert. Bei Ankunft der Botschaft beim Empfänger findet eine Art Entschlüsselungsprozess statt, wobei der Empfänger die Botschaft interpretiert und in seiner Wahrnehmung aufnimmt. Abhängig von der Interpretation der Botschaft folgt eine Reaktion. Wie die Botschaft dabei entschlüsselt wird und welche Reaktion schliesslich draus folgt, wird nicht bloss durch den Gegenstand der Nachricht beeinflusst, sondern auch dadurch, wie der Gegenstand kommuniziert wird. Und genau da setzt die Verhaltensökonomie an.
Die Verhaltensökonomie bietet psychologische Erkenntnisse darüber, wie Menschen durch Kommunikation motiviert und für ein Zielverhalten befähigt werden können. In Bezug auf das Sender-Empfänger-Modell bietet Verhaltensökonomie also eine Art Toolkit dafür, wie der Sender seine Botschaft so gestalten kann, dass die Nachricht auch das bezweckt, was er beabsichtigt. Ein Beispiel eines verhaltensökonomischen Konzeptes, das oft in der Kommunikation angewendet wird, bildet Framing. Das Konzept besagt, dass eine Botschaft eine ganz unterschiedliche Wirkung entfalten kann, je nachdem, wie man sie auslegt. Ein Medikament kann zum Beispiel auf zwei verschiedene Arten angepriesen werden (s. Abbildung 1). Welche Option erscheint ihnen attraktiver?
Abb. 1: Beispiel «Framing»
Im Rahmen der Zusammenarbeit mit unserem Auftraggeber bedienten wir uns den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie. Dabei fungierten sie als Leitlinie für die systematische Optimierung der einzelnen Textbausteine.
Eins nach dem anderen
Eine Erkenntnis der Verhaltensökonomie, die für die Optimierung von Texten häufig zur Anwendung kommt, ist das Prinzip der kognitiven Leichtigkeit. Demnach verhält sich das Gehirn ähnlich wie ein Muskel. Wird es lange Zeit beansprucht oder hat es viel zu arbeiten, so kommt es zur mentalen Erschöpfung. Die Konsequenz davon sind eine geminderte Aufmerksamkeit und eine reduzierte Konzentrationsfähigkeit – beides Faktoren, welche die Wirkung von Texten schmälert. Dem kognitiven Erschöpfungsprozess kann allerdings durch gezieltes UX Writing entgegengewirkt werden. So mindert beispielsweise ein einheitliches Wording, das Verwenden einfacher Sprache sowie die Formatierung von Texten in Bullet Points den Verbrauch mentaler Ressourcen. In der Umsetzung vermieden wir ausserdem Silbentrennungen und Abkürzung, so dass die Textbausteine möglichst wenig kognitive Ressourcen konsumieren und mit erhöhter Wahrscheinlichkeit beim Leser ankommen.
Der Weg ist das Ziel
Neben dem Prinzip der kognitiven Leichtigkeit wurde ebenfalls der Goal-Gradient Effekt berücksichtigt. Der Goal-Gradient Effekt besagt, dass wenn lange Prozesse in kleine Etappen gegliedert und diese transparent kommuniziert werden, Nutzer umso motivierter sind, den Prozess abzuschliessen – insbesondere gegen Ende des Prozesses. Innerhalb von unserem Projekt wurde der Goal-Gradient Effekt verschiedentlich bedient. Einerseits wurden Textbausteine mit Nutzeranweisungen in Listen formatiert, so dass Nutzer Schritt für Schritt nachvollziehen können, was es für sie zu tun gibt. Andererseits ergänzte man einige der Textbausteine mit einem Verweis auf das Kundencenter und schuf so mehr Transparenz darüber, welche Problemstellungen von den Kunden eigenständig gelöst werden können.
Abb. 2: Listen unterstützen den Goal-Gradient Effekt
Wer A sagt, muss auch B sagen
Eine dritte Erkenntnis der Verhaltensökonomie, welche für die Optimierung der Textbausteine verwendet wurde, ist der Commitment-Bias. Gemäss dem Commitment-Bias neigen wir Menschen dazu, uns konsistent zu unseren vergangenen Aussagen und Handlungen zu verhalten. Wir streben sogar dann nach Konsistenz, wenn dies negative Konsequenzen für uns zur Folge hat. In Anwendung auf unser Projekt, wurde der Commitment-Bias genutzt, um Kunden für Feedback zu motivieren. So gestaltete man Textbausteine für Kundenbeschwerden so, dass man Kunden explizit auf ihr Verhalten, Probleme offen zu schildern, hinwies. Aufgrund des menschlichen Strebens nach Konsistenz motiviert das die Kunden, ihr Feedback auch in Zukunft zu teilen. Die Konsequenz ist mehr Kundenfeedback, auf Basis dessen man Prozesse weiter kundengerichtet optimieren kann.
Verhaltensökonomie in Kombination mit UX – oder wie wir es bei den Ergonomen nennen: «Behavioral Customer Experience» – ist eine wissenschaftlich fundierte Art und Weise, wie man Kommunikation effektiv und wirkungsvoll gestalten kann. Im vorliegenden Projekt verhalf BCX zur systematischen Optimierung der Kundeninteraktion. Das Resultat sind positivere Kundenerlebnisse, und eine gesteigerte Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Wir sind dankbar, durften wir mit unserer Lösung zu dieser wahrhaftigen Win-Win Situation beitragen.
Sofern auch Sie mehr über Verhaltensökonomie in Kombination mit UX Writing erfahren möchten, dann kontaktieren Sie uns oder laden Sie hier eine kleine Zusammenstellung von Anwendungsbeispielen herunter.
Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
Consultant
Dedicated, helpful team player. Enjoys analyzing and producing high-quality results. Research knowledge in media psychology as well as hands-on expertise in online marketing, information design and project management. Passionate musician.
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Holding a master’s degree in Behavioral Economics from the Erasmus School of Economics in Rotterdam, Sandro Zuppiger complements The Ergonomen with his interest in human behavior and behavior change. With his background in marketing, strategy and communication, Sandro Zuppiger concentrates on the area of behavioral economics, business development, and marketing. He likes to spend his free time in nature and enjoys playing music.