Müllers kleines ABC (Netzwoche Nr. 7, 2017): U wie Umgangsformen - Als Umgangsform bezeichnen wir die Art und Weise, wie Menschen miteinander interagieren – das hat also unter anderem etwas mit Anstand zu tun...
Als Umgangsform bezeichnen wir die Art und Weise, wie Menschen miteinander interagieren – das hat also unter anderem etwas mit Anstand zu tun. Umgangsformen dienen aber auch als identitätsstiftende Zeichen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.
Im Web geht es ja gern lustig und spontan zu und her. Mir scheint aber, es fehlt dort öfter an klaren Vorstellungen darüber, wann dem geschätzten Nutzer mit Kumpanei begegnet werden darf und wann eher Anstand und Distanz gefordert wären. Ein Beispiel? Nehmen wir Hans Huber, 53, Inhaber einer prosperierenden kleinen Treuhandfirma. Er will sich erstmals seinen Flug zum Compliance-Kongress in Übersee via eines dieser grossen Webportale organisieren. Dass er dort gleich mit «Hallo Weltenbummler! Bei uns findest du immer die günstigsten Flüge!» begrüsst wird, mag er noch schulterzuckend wegstecken. Er wird sich denken, das sei halt der Preis für die billigen Flüge. Unangenehmer wird es ihm schon, als ihn Alice vom Kundendienst im folgenden Mail-Verkehr unverblümt mit «Hallo Hans!» anspricht. Wie soll er jetzt antworten – mit «Liebe Alice», «Hallo Alice» oder was?
Szenenwechsel: Huber regelt gerade seine Finanzen über das neu aufgehübschte E-Banking-Portal seiner Hausbank. Es funktioniert soweit alles wie früher. Wirklich verunsichert ist er, als er die neue mobile Transaktionsnummer per SMS bekommt. «Hallo!», steht dort, «Deine Zahlungsdaten: …». Eine Banking-Site, die ihn siezt, eine mTAN, die ihn duzt? Ist das jetzt richtig so? Er ruft die Servicenummer an, bekommt dort von einer kichernden Göre zwar eine kompetente Antwort, findet sich aber im Tonfall gar nicht richtig abgeholt.
Community hin, Spontaneität her – wer im Netz geschäften will, sollte sich gründlich überlegen, wie seine (potenziellen) Kunden angesprochen werden wollen. Ansprache ist nämlich Selektion, und wem die nicht passt, der wird rasch wieder weg sein. Wer aber den richtigen Ton trifft, kann die Kunden zu mehr und qualitativ besserer Interaktion anstupsen.
Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
Owner, Expert Consultant
Dr. Christopher H. Müller, founder and owner of Ergonomen Usability AG, earned his PhD from the Institute for Hygiene and Applied Physiology at ETH Zurich. With over 22 years of experience, he is an expert in usability and user experience. His strong sense of empathy allows him to quickly understand the needs and perspectives of his clients. With creativity and courage, he supports his clients in their digitalization projects and the optimization of products, services, and processes. He takes a practical approach, developing tailored solutions that can be effectively implemented. Dr. Christopher H. Müller is a columnist for Netzwoche. He also serves as a board member for the Zugang für alle Foundation, and is a member of two Swico advisory boards and co-president of the Regional Conference Nördlich Lägern.